Pandemie vorbei?

Nur keine falschen Hoffnungen

(27-12-22) „Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle,“ sagte Virologe Christian Drosten. Und dann fügte er hinzu, dass nach seiner Einschätzung (!) die Covid-Pandemie vorbei sei. Gibt das Grund zum Jubeln?  Der Vergleich mit den Jahreszahlen – sie sind derzeit höher als vor zwölf Monaten – könnte auch Befürchtungen vor dem Frühling schüren.

Vor allenn Dingen sollte man sich klar machen, was eine Endemie ist, wieviel Erleichterung sie überhaupt bringen kann. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) erklärt: Eine Krankheit gilt als „endemisch“, wenn sie in einer Region fortwährend auftritt. Beispiele dafür sind viele virusbedingte Atemwegserkrankungen, die nicht immer in der gleichen Häufigkeit nachzuweisen sind, sondern in Wellen auftreten. 

Die COVID-19-Pandemie war von heftigen Infektions- und Krankheitswellen geprägt und geht allmählich in ein endemisch-wellenförmiges Geschehen über. Dieser Übergang kann nicht eindeutig anhand eines „Schwellenwertes“ festgelegt werden und findet nicht überall auf der Welt gleichzeitig statt.

Zudem bedeutet „endemisch“ nicht, dass SARS-CoV-2 harmlos wird: Ähnlich wie bei der Grippe wird es höchstwahrscheinlich weiterhin regionale oder überregionale Ausbrüche und saisonale Erkrankungswellen (vor allem im Herbst und Winter) geben, die auch mit schweren Verläufen und Todesfällen einhergehen.

Vor allem in der älteren Bevölkerung und bei Menschen mit bestimmten Grund- und Vorerkrankungen ist weiterhin mit schweren Krankheits-verläufen zu rechnen. Daher könnten besonders in diesen Altersgruppen wiederholte Auffrischimpfungen erforderlich bleiben. 

Genauso ist es möglich, dass neue Virusvarianten auftreten, die eventuell zeitweise wieder umfangreichere Infektionsschutz-Maßnahmen erforderlich machen.

Diese Einschränkung nannte auch der Leiter der Virologie an der Berliner Charité: „Aber auch das erwarte ich im Moment nicht mehr.“

Die Erklärungen der  BZgA waren übrigens bereits vor den veröf-fentlichten Ansichten des Virologen Drosten im Internet zu lesen.

In der Pandemie über 30 Millionen Euro

in kommerziellen Kunstmarkt gepumpt

War das wirklich nötig? So fragen die englischsprachigen „Art News“, deren Bericht hier in wesentlichen Teilen übersetzt wurde. Ein neuer Untersuchungsbericht mit dem Titel „The Art of Lobbying“ thematisiert die Fördermittelvergabe im deutschen Kunstbetrieb. Da wird vor allem in Frage gestellt, ob so erfolgreiche und große Galerien wie Esther Schipper und Sprüth Magers von dem nicht bedarfsorientierten Regierungsprogramm hätten profitieren sollen.

Als die Pandemie die Zukunft der Kultureinrichtungen in Deutschland, einschließlich des Kunstmarktes, bedrohte, unterstützte die Bundesregierung die Unternehmen mit ihrem Mammutprogramm „Neustart Kultur“. Zunächst wurden Hilfen in Höhe von insgesamt einer  Milliarde Euro angeboten; 2021 kam eine weitere Milliarde hinzu, und es kommen noch weitere hinzu, um die Energiekrise abzumildern.

Ein Bericht des öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunks teilt Daten, die darauf hindeuten, dass erhebliche Summen an kommerzielle Galerien gingen, die am Ende nicht so ernsthaft wie erwartet von Schließungen und Termin-Ausfällen aufgrund des Coronavirus betroffen waren. Der Bericht stellt klar, dass, obwohl alles legal geschah, die Regierung die tatsächliche Bedürftigkeit einer Galerie oder Kunstmesse nicht berücksichtigte.

Das Programm Neustart Kultur wurde nicht von der Ampel-Koalition, sondern von der vorigen Regierung mit der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters ins Leben gerufen und wird heute unter ihrer Nachfolgerin Claudia Roth fortgeführt.

Von der einen Milliarde Euro flossen laut Deutschlandfunk rund 100 Millionen Euro in die bildende Kunst. Etwa 30 Prozent dieses Topfes wurden für kommerzielle Galerien ausgegeben, darunter Sprüth Magers, König Galerie, Esther Schipper und Eigen + Art, und Kunstmessen – dank der engagierte Lobbyarbeit von Kristian Jarmuschek, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes deutscher Galerien und Kunsthändler, der auch eine Galerie und drei Messen in Deutschland betreibt. Rund 80 Prozent aller kommerziellen Galerien, die sich beworben haben, erhielten mindestens eine Förderung.

Der Deutschlandfunk hat eine Aufschlüsselung der Verteilung dieser Steuergelder durch die Fachpartner des Programms untersucht. So flossen 15,5 Millionen Euro über die Stiftung Kunstfonds in Bonn in Höhe von jeweils bis zu 70.000 Euro an Galerien. Angeblich vier von fünf Anträgen wurden angenommen, ohne dass offensichtlich versucht wurde, ihren Bedarf zu ermitteln.

Art News weiter: Die Deutsche Gesellschaft für Archäologie präsidierte merkwürdigerweise über einen weiteren Topf von 35 Millionen Euro, der jeweils bis zu 100.000 Euro an etwa 150 Galerien sowie Museen und Gedenkstätten spendete.

Unter den Empfängern war auch die prominente Galerie Esther Schipper, die 92.000 Euro für „notwendige Digitalisierung und den Schutz von Besuchern und Mitarbeitern“ erhielt. Die Galerie Kewenig in Berlin erhielt 6.755 Euro für die „Anschaffung von mobilen Hochleistungscomputern für das Home Office“ und Rother in Wiesbaden 32.400 Euro für den Ausbau ihrer „Nutzfläche für die Präsentation und Vermarktung von aufstrebenden jungen Künstlern.

Unterstützung kam auch durch Rabatte auf Messen für Standpreise. Aussteller, die 2021 an der Art Cologne teilnehmen, konnten bis zu 70 Prozent der Kosten ihres Standes aus dem Geld von Neustart Kultur decken – darunter auch Galerien, die möglicherweise bereits über andere Streams Hilfe von Neustart Kultur erhalten haben.Die Kunstmesse, eine der größten in Deutschland, soll bisher insgesamt rund 12,16 Millionen Euro an Fördergeldern erhalten haben.Trotz des Wegfalls der Coronavirus-Beschränkungen sollen die Teilnehmer auch in diesem Jahr immer noch 32 Prozent Rabatt auf ihren Standpreis erhalten. 

Der Deutschlandfunk untersuchten, inwieweit kommerzielle Kunstgalerien und -messen tatsächlich von der Pandemie betroffen waren, wobei sie die ursprünglich prognostizierten Umsatzeinbußen von bis zu 100 Prozent für Einzelhändler berücksichtigten, eine Kategorie, zu der kommerzielle Galerien gehören. Düstere Vorhersagen wie diese hatten die Dringlichkeit der Hilfe der Regierung angespornt.

Stattdessen ging der weltweite Kunsthandel laut dem Global Art Market Report von The Art Basel und UBS im Jahr 2020 um viel weniger zurück, nämlich nur um 22,1 Prozent. Etwas höher liegt diese Zahl offenbar für den deutschen Kunsthandel, der laut einem Bericht der Bundesregierung um 39 Prozent einbrach.

Obwohl Galerien für längere Zeit ihre Geschäfte schließen mussten, fanden viele dieser Unternehmen online immer noch viele Kunden und durften im Gegensatz zu Museen als Einzelhandelsgeschäfte wieder öffnen. Der Deutschlandfunk hat über 20 Galeriebilanzen gesichtet und andere Händler befragt. Ihre Daten deuten darauf hin, dass einige etablierte Galerien eher eine Boomzeit erlebt haben.

Einige der deutschen Medien haben die Kunstgalerien verteidigt. „Die Forschung des Deutschlandfunks taugt kaum für einen Skandal“, schrieb Daniel Völkze, Online-Redakteur von Monopol, und merkte an, dass im Fondszyklus 2020 zum ersten Mal überhaupt der kommerzielle Sektor staatliche Unterstützung erhalten habe. „Die Förderung der Filmwirtschaft aus dem Bundeshaushalt beläuft sich dagegen Jahr für Jahr auf rund 40 Millionen Euro.“ Er stellte fest, dass das Geld von Galerien gut verwendet wurde – bzw für Schaufensterausstellungen während des Lockdowns, Künstlerpubli-kationen und Online-Projekte.

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