Hervorgehoben

Wenn der Toaster tanzen will

(14-3-23) Die ersten “künstlichen“ Berichte aus dem Computer sind erschienen. Nur: Man kann sie nicht erkennen. Der „Tagesanbruch“, guter und kostenloser Newsletter von t-online hat das transparenz geübt und ein Beispiel gegeben. Lesen Sie in Auszügen, was die Chefreporterin Politik Miriam Hollstein schreibt:

„Stellen wir uns vor, wir haben ein Gehirn, das so groß wie ein Schuhkarton ist. Man kann damit alles Mögliche tun, von Mathe-Aufgaben lösen bis hin zum Autofahren. Aber was, wenn wir ein Supergehirn hätten, das so groß wie ein ganzer Raum ist und in der Lage, Millionen von Aufgaben in Sekundenschnelle zu erledigen? Das ist im Grunde das, was Künstliche Intelligenz – kurz: KI – ist. Eine Technologie, die es Maschinen ermöglicht, komplexe Probleme zu lösen und menschenähnliche Fähigkeiten zu entwickeln.

Schon jetzt kann man mit KI selbstfahrende Autos bauen, die ohne menschliches Eingreifen fahren können, oder virtuelle Assistenten wie Siri oder Alexa, die uns helfen, unsere Termine zu organisieren und unsere Lieblingsmusik abzuspielen. Aber Achtung, KI hat auch ihre Tücken! Wenn man es nicht richtig programmiert, kann es dazu führen, dass der Toaster anfängt zu tanzen und der Kühlschrank plötzlich eigene Entscheidungen trifft.
Künstliche Intelligenz ist zweifellos ein faszinierendes Thema. Es gibt viele legitime Sorgen und Herausforderungen, die mit ihrer Entwicklung einhergehen, aber auch viele spannende Möglichkeiten, die sie uns bietet.
Einerseits können wir uns auf die vielen positiven Aspekte von KI freuen, die unser Leben erleichtern können. Ob es nun darum geht, bessere Diagnosen in der Medizin zu erstellen oder in der Industrie effizienter zu produzieren. KI kann uns in vielen Bereichen helfen…
Aber hey, wenn wir uns vor allem fürchten würden, was kompliziert klingt, dann müssten wir uns auch vor unseren früheren Mathelehrern fürchten, die versucht haben, uns Integralrechnung beizubringen. Trotzdem sollten wir uns bewusst sein, dass KI eine komplexe Technologie ist und dass wir uns aktiv mit ihrer Entwicklung und Anwendung auseinandersetzen sollten.
Und wer weiß, vielleicht wird KI auch dazu beitragen, dass wir mehr Freiheit haben und uns endlich um die wirklich wichtigen Dinge im Leben kümmern können, wie zum Beispiel … na ja, wie auch immer, wir sollten uns nicht blind vor der KI fürchten, sondern uns auf ihre positiven Aspekte konzentrieren und sicherstellen, dass sie zum Wohle der Gesellschaft eingesetzt wird.
Sind Sie mir bis hierher gefolgt? Dann möchte ich lösen: Kein einziges Wort, das Sie in den vorherigen Absätzen gelesen haben, stammt von mir. Sondern von „ChatGPT“, einer KI-Plattform, die auf Befehl Texte generieren kann und von der viele sagen, dass sie den Journalismus in nicht allzu ferner Zukunft ersetzen könnte. Ich hatte die Aufforderung, „Schreibe einen Kommentar zur Frage ‚Müssen wir uns vor der Künstlichen Intelligenz fürchten?‘ eingegeben. Heraus kam eine kluge, aber sehr langweilige Abhandlung, bei der Sie vermutlich schon nach dem ersten Absatz mit dem Lesen aufgehört hätten. Also tippte ich ein: „Kannst du das etwas humorvoller schreiben?“
Das Ergebnis haben Sie gerade gelesen. Inklusive des Witzes vom tanzenden Toaster und des Mathelehrer-Vergleichs. 

Wenn ChatGPT auf Tastendruck solche Witze machen kann, was kann es noch alles? Werden Sie in fünf Jahren nur noch „Tagesanbrüche“ lesen, die vom Computer geschrieben wurden?Und wenn ja: Würden Sie mich und meine Kollegen vermissen? Hand aufs Herz: Haben Sie etwas beim Lesen des Textes gemerkt?“

Den vollen Wortlaut können Sie im t-online-Podcast hören.

Verändert Corona die Gesellschaft?

Wird sich, wenn wir Corona bewältigt haben, die Gesellschaft vielleicht total ändern, wird eine neue Zeit anbrechen? Noch eine weitere Post-Moderne? Darüber unterhielt sich jetzt der Philosoph Richard David Precht mit dem Soziologen Andreas Reckwitz, Professor an der Humboldt-Universität Berlin. Ich möchte dieses Gespräch empfehlen (Link am Ende des Berichts)Muss es noch eine  weitere Postmoderne geben? Wo wir doch wissen, das wir uns den quantitativ anhaltenden Fortschritt, der seit 250 Jahren die moderne Zeit ausmacht und prägt, im Hinblick auf die Existenz dieser Welt gar nicht mehr erlauben dürfen.
Precht zeigt die veränderten Situationen.  Vor Corona sahen wir eigentlich immer auf steigende Kurven. Jetzt hoffen wir bei Corona gar auf fallende Kurven. Ein Gefühl des Stillstandes macht sich breit. In die endlose Abfolge von Sonntagen kracht die Angst vor zunehmender Arbeitslosigkeit und dem rapide schrumpfenden Inlandsprodukt  mit der unausweichlichen Wirtschaftskrise. Dann sehen wir aber auch den Himmel ohne Flugzeuge, den wenigen Verkehr, genießen vielleicht sogar die Natur mehr.  Und erfühlen eine Welt, in der im Brennglas nicht mehr der absolute Fortschritt steht.
Soziologe Andreas Reckwitz ist bekannt geworden mit seinen Ansichten über radikale Individualisierung, Er schildert  die neue Klassengesellschaft mit Eigenschaften einer postindustriellen Ökonomie, den Konflikt um Kultur und Identität, die aus dem Imperativ der Selbstverwirklichung resultierende Erschöpfung und die Krise der Liberalismen.
Seine Bücher sind in aller Munde. CDU-Möchtegern-Vorsitzender Friedrich Merz hielt es in den Händen, als er sich aus der Quarantäne zurück meldete.  Bei SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil war es bei einem Auftritt ebenso zu sehen wie bei der Kanzlerin und anderen Politikern.
Precht fragt Reckwitz, was er den Politikern als seinen Lesern raten würde. Dass sie ihre  Erfahrungen mit staatlicher Risiko-Politik und der Mobilisierung der Bevölkerung  nutzt für die Frage des Klimawandels. Das Klima wird ein Notstand mit ganz anderen Forderungen an die Gesellschaft – egal wer regiert. Und: Bei Corona machen die Experten, die Virologen, viel Politik. Beim Klima wollen die Politiker das Gegenteil von dem, was die Experten ihnen raten.
Zur Zukunft will sich Reckwitz überhaupt nicht festlegen: Eine nicht moderne Gesellschaft ist derzeit unvorstellbar, nimmt Formen an, die wir uns jetzt gar nicht vorstellen können, möglicherweise im Negativen – bis hin zum permanenten Bürgerkrieg.
Und dann fabulisieren die beiden Denker um neue Lebensanreize für eine unbestimmte Gesellschaft, die hoffentlich beim Sieg über Corona nicht in ein Chaos stürzen wird. Erschreckend wie wenig Menschen derzeit darüber nachdenken. Glaubt jemand, dass man Verzicht als Fortschritt umdeklarieren könnte und diese Gesellschaft das mitmacht?

Das Gespräch bei Youtube


Kunst-Diskussion

  • Der „modernen Kunst“ wird nachgesagt, dass ihr Wert allein durch die merkantilen Machenschaften einer Spekulanten-Clique bestimmt wird. Am philosophischen Ende arbeitet seit langem der norwegische Künstler Odd Nerdrum mit seiner ständig weltweit steigenden Anhängerschaft des Figurativen. Nerdrum gibt den Deutschen mit ihren Philosophen Kant und Hegel als Vordenker die Schuld an den inzwischen immer unbegreiflicheren Auswüchsen der Kunst. Nach dem im Deutschen geschaffene Wort „Kitsch“ müssten eigentlich alle historischen Bilder von Da Vinci, Rembrandt, Rubens, Tizian usw. aus den Museen verschwinden. Aber außerhalb der deutschen Kunstscene hat „Kitsch“ längst eine positive Bedeutung bekommen: Das Arbeiten mit dem Streben nach dem Können der Alten Meister. Weiter lesen…
  • Ziel dieser Domain ist es, im Laufe der Zeit – soweit überhaupt möglich – ein Werksverzeichnis zu erstellen. Wegen der vielen Sachen, die vor langer Zet in weit gestreuten Privatbesitz wechselten, sind Lücken leider nicht vermeidbar. Immerhin soll das Vorhaben den Leuten, die sich mit dem Nachlass beschäftigen wollen oder sollen, die Arbeit etwas erleichtern. (Eine aktuelle Empfehlung der Kunst-Szene)

Ist das Kunst oder kann das weg?

Eine allgegenwärtige Frage, die spätestens seit dem Säuberungsakt der Putzfrauen bei einer von Beuys verschmierten Wanne permanent die Kunstszene beherrscht.

Doch wer bestimmt überhaupt, was Kunst ist? Die niederschmetternde Antwort: Nicht Ethik oder Ästhetik, auch keine Museen oder Experten, sondern allein der Kunstmarkt – und der in einer Art und Weise, die selbst noch weit unterhalb der finsteren und verwerflichen Machenschaften der Wallstreet-Geldhaie liegen. Billige Zinsen fördern noch diesen Insider-Trick. Man sucht ein noch nicht ausgereiztes Objekt, leiht sich Millionen-Beträge und sorgt dann umtriebig für mehr Aufmerksamkeit auf die noch nicht bezahlte Neuerwerbung.

Erst wenn der Kreditgeber allzu sehr auf Rückzahlung drängt, erscheint das Werk wieder mal auf einer Auktion und erzielt, dank der inzwischen gesteuerten Informationen über Bedeutung, Aktualität und eventueller weiterer Preissteigerungen einen höheren Preis – oft mit einem Millionen-Gewinn, manchmal auch mit dem Ruin eines zu wagemutigen Spekulanten. Aber noch schlimmer: Was in anderen Lebensbereichen durchweg als Betrug gilt, ist bei der Kunst gang und gäbe. Weil die Bieter immer anonym bleiben, können Galerien – und da sind sie fleißig – auf ihre eigenen Bilder bieten.

Objekte dieser ruchbaren Machenschaften sind die Produkte von „Klecksern und Spachtlern“, wie sie mit Häme von Ernst Fuchs, dem Meister der Wiener Schule, genannt wurden. Und dazu kommen noch die Serien-Erfinder wie Andy Warhol — Wertschöpfung mit Signierung am laufenden Band. Kunst dieser Art wird simpel mit den Boys-Parolen begründet: Alles ist Kunst, jeder ist ein Künstler. Doch ist das richtig verstanden worden? Beuys meinte es als Absage an den Werk-Begriff. Kunst ist nicht die Produktion von irgendetwas, sondern das Geltendmachen, dass irgendetwas Kunst ist. Praktisch wird alles zur Kunst, wenn man es in ein Museum stellt. 

Das ist keine Boys-Erfindung, nur eine zeitgemäße Bestandsaufnahme. Schon 1915 stellte der Russe Kasimir Malewitsch sein erstes „Schwarzes Quadrat“  aus, das er dann immer wieder „schuf“ –   mal verschoben oder in verschiedenen Größen, auch mal rot. 1917 folgte ein handelsübliches Urinal von Marcel Duchamp. Nach dem Untergang einer Galerie soll es auf dem Müll gelandet sein, steht aber jetzt als „Fontain“ mit von Duchamp autorisierten Sanitär-Fabrikaten in zahlreichen Museen weltweit. Fontain und Schwarzes Quadrat  gelten als bedeutende Meilensteine der Modernen Kunst.

Doch diese Steine bröseln immer mehr. Zum Hundertjährigen von Duchamps Readymade schrieb „Die Zeit“ (32/2017) von einer Inflation banaler Nachahmungen. „Einfallslos und dennoch überall präsent, weil viele Galeristen und Künstler wissen, dass sie damit immer wieder Geld verdienen können.“ Der Kunstmarkt ähnele dem Märchen von Rumpelstilzchen: Scheinbar über Nacht werde aus Stroh Gold gesponnen. Das sei ein ausgewachsener Burn-out der Kunstwelt. Eine intellektuelle Arbeitsunfähigkeit und gestalterische Müdigkeit, die sich durch den Rumpelstilzchen-Trick aber noch zu Geld machen lasse:  Kopie statt Originalität. (wird fortgesetzt)